Historische Gärten und Parkanlagen. Ein kulturelles Erbe im Wandel Giardini e parchi storici. Un patrimonio culturale in trasformazione

 

Wintersemester, November 2024 — Januar 2025
Semestre invernale, novembre 2024 — gennaio 2025
Verantwortlich / Responsabile:
Waltraud Kofler Engl

Historische Gärten, Parkanlagen und gestaltete Grünräume sind Zeugnisse einer jahrhundertealten Kulturform und vielschichtige Bedeutungsträger.

Die Vorlesungsreihe mit Gastbeiträgen im Wintersemester 2024/25 führt in die Kulturgeschichte der europäischen Gartenkunst und ihre weitreichenden Vernetzungen mit Architektur, Städtebau, Pflanzenkulturen, technischen, gesellschaftlichen und ökologischen Themen ein. Sie eröffnet zudem einen Überblick zu den Gestaltungsmerkmalen und Nutzungen von der Antike bis ins 20. Jahrhundert.

Die für das Sommersemester 2025 geplanten Begehungen und Erkundungen von Gartenanlagen in Südtirol und Umgebung bieten eine Plattform für die Beobachtung der vielschichtigen Veränderungen des grünen Kulturerbes, für Gespräche mit Nutzern und für eigene Reflexionen.

I giardini storici, i parchi e gli spazi verdi paesaggistici sono testimonianze di una forma culturale secolare e portatori di significati a più livelli.

Il ciclo di conferenze con contributi di ospiti nel semestre invernale 2024/25 fornisce un'introduzione alla storia culturale dell'arte dei giardini europei e alle sue estese interconnessioni con l'architettura, l'urbanistica, le culture vegetali, i temi tecnici, sociali ed ecologici. Fornisce inoltre una panoramica delle caratteristiche e degli usi del design dall'antichità al XX secolo.

Le gite guidate e le esplorazioni di giardini in Alto Adige e dintorni previste per il semestre estivo 2025 offrono l'occasione per contemplare i complessi cambiamenti del patrimonio culturale verde, per discutere con gli frequentanti e per rifletterci anche personalmente.

 

Programm

05.11.2024 17.30—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.01

Die Welt im Garten: zur Geschichte der europäischen Gartenkunst

Iris Lauterbach

Studium der Kunstgeschichte und der romanischen Philologie in Mainz, Pavia und Paris. Promotion mit einer Arbeit über französische Gartenkunst des 18. Jahrhunderts. Seit 2001 Lehrauftrag „Geschichte der Gartenkunst“ am Institut für Entwerfen, Stadt-, Regional- und Freiraumplanung der Technischen Universität München. Mitglied der Forschungsabteilung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, München, und Honorarprofessorin der TU München. Forschungen zur Geschichte der europäischen Gartenkunst vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, zu Architektur und Stadtplanung im Nationalsozialismus und zum Central Collecting Point München. Zahlreiche Publikationen, darunter The Central Collecting Point in Munich. A New Beginning for the Restitution and Protection of Art (Getty Publications), 2018; Bibliographie der vor 1750 erschienenen deutschen Gartenbücher mit Clemens A. Wimmer (Dr. Alfons Uhl), 2003; Herausgeberin u. a. von: „Gartenlust“ und „Gartenzierd“. Aspekte deutscher Gartenkunst der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Andreas Tacke, Iris Lauterbach und Michael Wenzel (Michael Imhof) 2023; Aspekte Münchner Gartenkunst 1825-1945: Gärten, Akteure, Institutionen (Wernersche), 2021. Seit 2014 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Institut Européen des Jardins & Paysages, Château de Bénouville, Calvados; Gründungsmitglied des Internationalen Netzwerks für Kunstgeschichte (2003).

 

Abstract

Der Vortrag gibt einen Überblick über die frühe Geschichte der europäischen Gartenkunst und behandelt die Gestaltung und Nutzung von Gärten von der Renaissance über den Barock bis zum Landschaftsgarten. Seit jeher motivierte die Neugierde auf ferne Länder und Regionen die Anlage von Gärten. Die Modellierung des Geländes ließ ungewöhnliche Topografien entstehen. Exotische Gartengebäude versetzten Besucherinnen und Besucher in andere Kontinente. Der Anblick fremdländischer Blumen und Gehölze und der ungewohnte Genuss neuartiger Früchte und Gemüse verzückten sie. Gärten appellieren nicht nur an den menschlichen Verstand und an das Auge. Sie rufen mit dem Riechen, dem Schmecken, Fühlen und Tasten, Hören und Lauschen auch die anderen Sinne auf. Das Formen der Natur nach menschlicher Vorstellung erfordert hohe technische Kenntnisse. Gärten waren Schauplätze, häufig sogar die Stätten erster Erprobung aufsehenerregender technischer Neuerungen: in den Wasserkünsten wie auch in der Kultur der Pflanzen und ihrer Überwinterung in klimatisierten Gebäuden.

Nymphenburg
Nymphenburg

13.11.2023 18.00—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.03

„Es ist so schwer wie ein Reich zu regieren“: Aus der Geschichte der gärtnerischen Pflanzenverwendung

Clemens Alexander Wimmer

C. A. Wimmer befasst sich als ausgebildeter Gartenarchitekt seit 1982 mit historischen Gärten und Denkmalpflege. Er arbeitet freischaffend in Berlin und Potsdam und zeichnet für zahlreiche Gutachten und Planungen historischer Gärten verantwortlich (um nur einige zu nennen: Schlossgarten Charlottenburg, Schlosspark Bellevue, Berliner Lustgarten  der barocke Garten von Schloss Meseberg, mit Ragnhild Kober-Carrière). Durch seine Publikationen und Vorträge ist er international bekannt. Zu seinen Spezialgebieten gehört die Geschichte der Gartenpflanzen und ihrer Verwendung. Aus seinen Publikationen: Gärtner der Nation: Die vier Leben des Karl Foerster (VDG Weimar) 2024; Ein Gärtner auf Grand Tour: Emil Sellos Tagebuch seiner Europareise 1838-1840, hrsg. v. C. A. Wimmer (VDG Weimar) 2020.

Abstract

Es wird ein Überblick gegeben über die Gepflogenheiten, wie Zierpflanzen in den Gärten und Parks von der Renaissance bis zur Moderne eingesetzt wurden. Das komplexe Wechselspiel zwischen künstlerischen Idealen und verfügbarem Pflanzensortiment im Lauf der Jahrhunderte wird deutlich gemacht. Auf die aktuellen Schwierigkeiten, historische Gärten denkmalgerecht zu bepflanzen, wird hingewiesen.

Spaziergänger im Park
Spaziergänger im Park

19.11.2023 18.00—20.00, IT UNIBZ, RAUM F0.03, 2 CFU

I giardini medicei: agricoltura e giardinaggio tra Quattrocento e Cinquecento

Maria Chiara Pozzana

Maria Chiara Pozzana war als Architektin in den Aufsichtsbehörden von Potenza, Arezzo und Florenz tätig. Seit 1996 Studio „Architettura e Paesaggio“ in Florenz. Realisierung von historischen und zeitgenössischen Privatgärten, Arbeit im Planungsteam des Parks Venaria Reale in Turin (seit 1998). Restaurierungen:Bardini-Garten, Florenz (1999-2007); Garten des Schlosses Torre in Pordenone. Restaurierung des Apennin von Giambologna im Park von Pratolino (2010-2014 für die Stadt Florenz). Im Jahr 2022 arbeitete sie an den PNRR-Projekten der Villa Gamberaia, der Viale degli Zampilli im Park von Pratolino (Projekt läuft) und der Villa von Mondeggi. 2011-2019 Leiterin des nationalen ISCCL ICOMOS IFLA-Komitees für Kulturlandschaften; Mitglied der AIAPP und korrespondierendes Mitglied der Georgofili-Akademie. 2001-2013 Beraterin des European Institute of Cultural Routes (Luxemburg). 2010-2018 Jurymitglied des EGHN European Heritage Garden Award (Düsseldorf, Deutschland). Lehrtätigkeit an den Fakultäten für Landwirtschaft in Pisa, Catania und Florenz sowie an der Scuola di Specializzazione in Architettura del Paesaggio in Genua. 1992-2013 Direktorin des Zentrums für Garten- und Landschaftsstudien an der Internationalen Kunsthochschule Florenz. Auswahl aus den Veröffentlichungen: Giardini storici: principi e tecniche della conservazione (edizioni Alinea) 1996; Guida dei giardini aperti al pubblico in Toscana (edizioni Giunti) 2001; Una guida al paesaggio della Toscana (edizioni Giunti) 2008; das Kapitel über die Restaurierung des Bardini Gartens in: L'eredità di Stefano Bardini, (hrsg. v. Antonio Paolucci, Edizioni Mandragora) 2019; der Führer zu Firenze Greenway (Edizioni Casalta) 2023. Dieser erhielt den dritten Preis des Regionalen Landschaftsobservatoriums der Region Toskana (2020) sowie den ersten nationalen GO SLOW Preis (2021) und die besondere Erwähnung von Paysage beim Cityscape Award 2023 auf der Triennale von Mailand (2023). Im Jahr 2020 gründete sie die Firenze Greenway Cultural Association, deren Präsidentin sie ist.

Abstract

Il gruppo dei giardini medicei appartenuti a membri della famiglia Medici e costruiti dal Quattrocento al Cinquecento costituiscono un 'corpus' omogeneo con caratteri fortemente identitari, tanto da rappresentare un tipo di giardino riconoscibile che si è diffuso in tutta Europa. Le prime realizzazioni nel Mugello nei castelli di Trebbio e Cafaggiolo, per certi aspetti con elementi arcaici, maturano poi nelle ville di Fiesole, Careggi e Poggio a Caiano. Nel Cinquecento l'idea del giardino trova compimento a Boboli, Castello, Petraia e l'ideale del giardino mediceo si conclude nel prodigio idraulico e tecnico di Pratolino. Dalla agricoltura al giardinaggio, dal bosco al giardino, l'idea di natura e di bellezza si sviluppa grazie al lavoro e all’arte di grandi artisti come Michelozzo, Tribolo, Buontalenti nell’articolata costruzione dei giardini composti da elementi ricorrenti ed organizzati in una armoniosa gerarchia, che unisce funzione ed ornamento e che può costituire ancora oggi un riferimento progettuale. Il gruppo di 14 giardini è stato riconosciuto patrimonio dell'umanità nel 2013 dall’UNESCO. Oggi l’associazione Firenze Greenway sta promuovendo due Greenways che collegano i giardini medicei a ovest e a nord di Firenze

Giardini di Boboli (Firenze)
Giardini di Boboli (Firenze)

27.11.2024 18.00—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.01, 2 BFC

Von Gärten und Menschen

Landschaften im zeitlichen Kontinuum

Lilli Lička, Christian Maryška

Lilli Lička
Landschaftsarchitektin, Leiterin Institut für Landschaftsarchitektur an der BOKU. Bis 2016 koselička und seit 2017 von LL-Landschaftsarchitektur (LL-L). Mitbegründerin von Nextland: Sammlung österreichischer Landschaftsarchitektur, Leiterin des LArchiv: Archiv der österreichischen Landschaftsarchitektur. Mitbegründerin von NELA: Network of European Landscape Architecture Archives. Gestaltung und Forschung im öffentlichen Raum, Straßen, Parks, historische Gärten und Freiräume, Grünraumgerechtigkeit, künstlerischer und performativer Aktivismus. Seit 2019 Mitglied im Landesbeirat für Baukultur und Landschaft in Bozen.


Christian Maryška
Historiker, Kulturwissenschaftler und Ausstellungskurator. Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Österreichischen Nationalbibliothek. Mitautor bei Parkpflegewerken. Zahlreiche Publikationen zu historischem Grafikdesign, Visual History, Tourismusgeschichte sowie Kultur- und Alltagsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts u. a. Willkommen in Österreich. Eine sommerliche Reise in Bildern (2012, Hg. gem. mit Michaela Pfundner).

Abstract

Von Gärten und Menschen

Gärten und Parks sind gestaltete Grünräume. Sie erfüllen durch den Klimawandel eine besonders wichtige ökologische Funktion und laden zu Spaziergängen, Spiel, Sport und Kontemplation ein. Personen, die Gärten und Parks entwerfen, besitzen, pflegen, erhalten, über sie schreiben oder sie in prachtvollen Ansichten in Szene setzen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Ausstellung „Von Gärten und Menschen. Gestaltete Natur, Kunst und Landschaftsarchitektur“ im Prunksaal der ÖNB war 2023 mit fast 350.000 Besucher*innen eine der erfolgreichsten in Österreich. Bereits seit rund 400 Jahren ist die Österreichische Nationalbibliothek mit der Gartenkunst verbunden. Sie verfügt mit der damaligen Hofbibliothek und der ehemals privaten Bibliothek der kaiserlichen Familie über einen reichen Bestand an Objekten und Kostbarkeiten mit hohem Schauwert, wie etwa einen Originalplan des berühmten Lancelot Brown. Die repräsentative Gartenkunst hat sich erst Ende des 19. Jahrhunderts zur Landschaftsarchitektur weiterentwickelt: feudale Anlagen und erste öffentliche Parks wurden um Siedlungen, Wohnanlagen und den öffentlichen Raum der Städte erweitert. Ergänzt wurde die Vielfalt der Exponate um jüngere Gärten und Parks aus dem LArchiv der österreichischen Landschaftsarchitektur der Universität für Bodenkultur.

Landschaften im zeitlichen Kontinuum

Landschaften und Freiräume werden immer wieder verändert. Bestehende werden angepasst, auf neuen Flächen entstehen zeitgenössisch gestaltete Parks, Straßen, Plätze. Um diese Veränderungen, die zugrundeliegenden Ideen und den Wandel der Zielsetzungen nachzuvollziehen, bedarf es der Bewahrung der Pläne, Skizzen, Unterlagen. Im Jahr 2019 haben sich 3 europäische Landschaftsarchitektur-Archive zum Netzwerk NELA zusammengeschlossen. Seither führt der Austausch zwischen 26 Ländern zu Erkenntnissen über die wandernden Ideen, die akuten Fragen des Archivierens und das historische Kontinuum, in dem die heutige Landschaftsarchitektur einen spezifischen Zeitpunkt widerspiegelt.

Von Gaerten und Menschen 2023
Von Gaerten und Menschen 2023

04.12.2024 18.00—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.03, 2 BFC

„Was Sie schon immer über englische Landschaftsgärten wissen wollten“ oder „Was ist und wie funktioniert ein Englischer Garten“

Adrian von Buttlar

Prof. em. Dr. Adrian von Buttlar, Jahrgang 1948. 1968–1976 Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und am Courtauld Institute of Art in London. 1977 Dissertation mit einer Arbeit über den Englischen Landsitz im 18. Jahrhundert, 1984 Habilitation über den klassizistischen Architekten Leo von Klenze. 1985–2001 Professur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 2001–2013 Lehrstuhlin für Kunstgeschichte der Moderne an der Technischen Universität Berlin. Gastprofessuren in Taipeh (2009) und St. Petersburg (2016). Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Gartenkunst, Architekturgeschichte der Neuzeit und der Moderne sowie Denkmalpflege und Denkmalpolitik. 1996–2009 Vorsitzender des Landesdenkmalrats Berlin, 2001–2008 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, seit 2011 Wissenschaftlicher Beirat im Denkmalprogramm der Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg.

Abstract

Die sogenannte „Gartenrevolution“ bringt im 18. Jahrhundert auf den Landsitzen einer liberalen Elite in England den naturnahen Landschaftsgarten als Gegenmodell zum geometrisch-architektonisch gestalteten Barockgarten hervor. Der hatte göttliche Ordnung und fürstliche Macht in einer hierarchisch reglementierten und mythologisch überhöhten Form repräsentiert. Dem Barockgarten wurde nun der „Garten der Freiheit“ entgegengesetzt. Der Vortrag stellt die Entstehung, ideengeschichtliche und sozialpolitische Bedeutung dieser wirkmächtigen neuen Kunstform als Ausdruck eines aufgeklärten und doch empfindsamen Weltbildes vor. Er verfolgt die ästhetische Entwicklung des Landschaftsgartens von der dreidimensionalen „begehbaren Bildergalerie“ der Eliten bis zum demokratisierten, an Menschen aus allen Schichten appellierenden Volkspark des 19. Jahrhunderts an markanten Beispielen und Texten. Das naturreligiös-ökologisch inspirierte Konzept der Landschaftsgärtner erscheint rückblickend wie ein Lehrstück in den aktuellen Krisen unseres gestörten Verhältnisses zur Natur.

Gartenreich Wörlitz c Adrian von Buttlar 2017
Gartenreich Wörlitz c Adrian von Buttlar 2017

15.01.2025 18.00—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.03

Gartenkunst des Barockzeitalters - bewundert, kritisiert, verkannt, rezipiert

Stefan Schweizer

1992 bis 1997 Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Soziologie an den Universitäten Kassel, Göttingen und Verona. 1998 bis 2000 Stipendiat der Gerda Henkel-Stiftung. 2001 Promotion an der Universität Kassel. 2000 bis 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. 2005-2012 Juniorprofessor für Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Europäische Gartenkunstgeschichte am Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Habilitation 2011. 2014 Ernennung zum Honorarprofessor an der HHU. Seit 2012 Wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Bark Benrath, Direktor der Museen. Seit 2020 Präsident der DGGL, seit 2024 Mitglied in der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Abstract

Die Barockzeit entwickelte ausgehend von Frankreich zwischen ca. 1620 und 1750 eine eigene Gartenstilistik, deren Vokabular und Grammatik in ganz Europa adaptiert wurde. Als Resultat interdisziplinärer Anstrengungen wurde die barocke Gartenkunst von landschaftsarchitektonischen, politischen, gärtnerischen, botanischen und ingenieurtechnischen Impulsen geprägt, die weit über das Zeitalter ausstrahlten. Zu nennen sind exemplarisch die Etablierung großräumlicher Infrastruktur, der Import und die Adaption fremder Kulturen (Chinoiserie/Kultivierung fremder Gehölze), die Orangeriekultur, höfische Feste unter freiem Himmel sowie Kulturtechniken des Spiels und der Aneignung von Natur (Promenade). Der Vortrag skizziert Entwicklungslinien am Beispiel der wichtigsten Barockgärten Europas, vertieft einzelne Ausstattungsfragen und stellt überraschende Rezeptionsbeispiele des 19. und 20. Jahrhunderts vor.

 

Wasserachse der Reggia di Caserta
Wasserachse der Reggia di Caserta

22.01.2025 18.00—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.01

Grünes Bauhaus? Außenanlagen von den Reformgärten und dem frühen Bauhaus bis zu dessen Schließung 1933

Joachim Jacobs

Jahrgang 1960 (Düsseldorf). Nach dem Abitur Studium der Landespflege an der GHS Essen, Abschluss Dipl. – Ing. FH. Weiterstudium an der TU Berlin Fachbereich Landschaftsplanung mit Abschluss Dipl. – Ing.; Stipendium der TU Berlin und Promotion zum Dr. – Ing. 1990. Gründung des Büros für Gartendenkmalpflege und Landschaftsarchitektur 1991. Das Büro hat in den 30 Jahren seines Bestehens vor allem Projekte aus dem Bereich der Gartendenkmalpflege wie z. B. in Berlin den Bundesrat, das Bundesfinanzministerium, den Schlosspark Charlottenburg sowie als besonderen Schwerpunkt Jüdische Friedhöfe bearbeitet. Zahlreiche Publikationen zu historischen Außenanlagen und Jüdischen Friedhöfen. Nach Schließung des Büro 2019 weiterhin tätig als Freier Landschaftsarchitekt.

Abstract

Das 1919 in Weimar von Walter Gropius begründete Bauhaus hatte immer gesamtkunstwerkliche Ansprüche. Alle Lebensbereiche sollten unter wechselnden Paradigmen gestaltet werden, um so das Leben des Einzelnen, aber auch der Gesellschaft, zu verbessern. Außenräume und deren Planung waren seit der Weimarer Zeit Bestandteil dieser raumgreifenden Konzepte. Dies geschah aber nicht im luftleeren Raum, sondern entwickelte sich vor dem Hintergrund reformerischer Bewegungen, die in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts immer stärker hervortraten. Die Abwendung vom Historismus und der Versuch, eine zeitgemäße Architektur zu schaffen, führte auch zu neuen Raumkonzepten in den Gärten; das Zimmer im Grünen war das Motto dieser Abwendung von der Lenné-Meyerschen Schule zu sog. Architektur- oder Reformgärten. Hermann Muthesius hatte als Architekt besonders starken Einfluss auf die Reformgartenbewegung. So zeigten sich die frühen Gartenplanungen des Bauhauses, selbst in expressionistischem Gestus, solchen Raumkonzepten verpflichtet. Im Laufe der Jahre und insbesondere mit dem Umzug nach Dessau bildete sich mehr und mehr der sog. Bauhausstil heraus, der Teil der Klassischen Moderne mit ihren vielen Strömungen und Protagonisten ist. Außenräume, die Bauhausbauten dieser Zeit umgeben, wie z. B. die Meisterhäuser in Dessau, werden immer minimalistischer gestaltet. Die Gärten werden, von wenigen hausnahen Bereichen abgesehen, als Räume geplant, deren Thema ‚Natur‘ ist. Große, symbolhaft für Natur stehende Bäume umgeben die Bauten und bilden starke Kontraste zu deren Kubatur. Unter Hannes Meyer wird dieses ästhetische Konzept durch einen sozialen Aspekt erweitert: Der naturhafte Außenraum wird zum Ort der Befreiung von sozialen Zwängen – ein Konzept, das schon im klassischen Landschaftsgarten in Erscheinung getreten war. Unter der Leitung von Mies van der Rohe setzt sich das Konzept des Außenraums als Träger einer ästhetischen Idee von Natur fort und findet einige Jahre nach Schließung des Bauhaus 1933 in seinem Farnsworth House den ultimativen Höhepunkt: Der ungestaltete, natürliche, manchmal sogar überflutete Außenraum tritt in einer durch wenige Stützen gegliederten Sequenz von Bildern mit dem Thema Natur in den Innenraum ein. Grösser könnte der Abstand zu den Gärten der Reformbewegung nicht sein.

Meisterhaus Gropius Lucia Moholy Nagy
Meisterhaus Gropius Lucia Moholy Nagy

28.01.2025 17.30—20.00, DE UNIBZ, RAUM F0.03, 3 BFC

Vom Gartenreich am Schloss Rheinsberg bis zum Hofburggarten in Brixen - Gartendenkmalpflege in Theorie und Praxis

Torsten Volkmann

Studium der Landschaftsarchitektur an der TU Dresden, Dipl.-Ing 1987. Ab 1987 Gartendenkmalpfleger im Institut für Denkmalpflege der DDR (Berlin). Seit 1991 Gartendenkmalpfleger im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege (Forschung, Inventarisation, Dokumentation und Betreuung der praktischen Arbeiten). 2017-2023 Leiter des Referats Gartendenkmalpflege, aktuelle u.a. delegiert für Sonderaufgaben bezüglich der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf den Denkmalbestand und der Reaktion in den Gartendenkmalen auf den beschleunigten Klimawandel. Lehraufträge TU Dresden, TU Berlin, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Publikationen zum Gartendenkmalbestand (Brandenburg) und Methodik in der Gartendenkmalpflege (Auswahl): Handbuch der Gartendenkmalpflege : rechtliche Grundlagen - Inventarisation - Erfassung - Analyse - Bewertung - Zielplanung - praktischer Umgang, hrsg. v. Caroline Rolka und Torsten Volkmann (Eugen Ulmer Verlag), 2022; Anforderungen an eine Dokumentation in der Gartendenkmalpflege, erarb. von der Abteilung Denkmalpflege, Referat Gartendenkmalpflege im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum, bearb. und red.: Torsten Volkmann (Imhof), 2005. Mitwirkung an zahlreichen Bänden der Reihe Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland (Werner/Wernesche Verlagsgesellschaft) seit 1994.

Abstract

Eine Eigenschaft des gartenkulturellen Erbes ist auf Grund seiner natürlichen und lebendigen Bestandteile (z.B. Pflanzen, Gewässer) deren Veränderlichkeit. Die Bewahrung von Originalsubstanz als eine Hauptaufgabe der Denkmalpflege stellt deshalb in Gärten eine besondere Anforderung dar, welche durch eine entsprechende Methodik fachwissenschaftlich gestützt wird. Die gestalterische und funktionale Einbindung der Gartendenkmale mit ihrer Umgebung und deren Rolle in den noch immer unzureichend geschützten historisch geprägten Kulturlandschaften stellen aktuelle Forschungsschwerpunkte dar. Zunehmend werden die Gartendenkmale durch klimatische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Anforderungen und eine unzureichende Pflege beeinflusst, welche die rein fachlichen Entscheidungen der Gartendenkmalpflege in ihrer Anwendung teilweise erheblich beeinträchtigen. Anhand anschaulicher Beispiele werden die Methodik erörtert und deren differenzierte Anwendung unter den aktuellen Rahmenbedingungen vorgestellt.

Rheinsberg Schloss und Garten
Rheinsberg Schloss und Garten